Grenzflächenprozesse zwischen Mineral- und Werkzeugoberflächen - Inprotunnel

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Grenzflächenprozesse zwischen Mineral- und Werkzeugoberflächen - Inprotunnel

Projektfinanzierung: BMBF

Forschungsprogramm: Sonderprogramm: Geotechnologien: Grenzflächenprozesse

Projektlaufzeit: 2010 bis 2012

 

Einleitung

Während des maschinellen Vortriebs mit Tunnelbohrmaschinen (TBM) in veränderlichfesten oder Lockergesteinen (Tongesteine, Schluff etc.) bleibt das ausgebrochene Material oft an den Schneidwerkzeugen, am Schneiderad oder am Förderband haften. Das kann zu großen Problemen beim Ausbruch, Transport, Wiederverwendung und Deponierung führen. Hauptsächlich verantwortlich sind dafür Adhäsionsprozesse, die zwischen Tonmineralen und Schneidwerkzeug entstehen können. Beim Ausbruch und Transport des Materials kommt es u.a. durch die mechanische Beanspruchung zu einer Entfestigung, die bis zur völligen Desintegration führen kann. Dies kann unter Umständen ein erwünschter Effekt sein, wenn z.B. die Verbreiung des ausgebrochenen Materials wie bei einem EPB-Schild (Erddruckschild) den sicheren Vortrieb und die Förderung des Ausbruchmaterials überhaupt erst ermöglicht. In vielen Fällen kommt es aber insbesondere beim Zutritt von (Gebirgs-)Wasser zu einer Verklebung des Ausbruchmaterials am Schneidrad oder in den Fördereinrichtungen, die zu weit reichenden Behinderungen im Bauablauf führt.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die mechanischen Eigenschaften des Ausbruchsmaterials werden maßgeblich durch die Eigensachaften der Feinanteile (z.B. Tonminerale) bestimmt, Bei diesen wiederum hat vor allem die Oberflächenbelegung sowie Ladungsverteilung an der Grenzflächen einen Einfluss auf deren Anordnung (Struktur). Gemäß der DLVO-Theorie (benannt nach DERJAGUIN, LANDAU, VERWEY UND OVERBEEK) treten bei hochgeladenen Teilchenoberflächen in verdünnten Elektrolyten weit reichende abstoßende Kräfte auf, die bereits dispergierte Teilchen daran hindern, sich dem so genannten „primären Minimum“ anzunähern und somit zu koagulieren. Wird der Teilchenabstand jedoch verringert, können die Teilchen nicht mehr dispergieren, da sie dem Anziehungsmaximum nicht entkommen können. Eine Erhöhung des Elektrolytgehaltes erniedrigt diese Energiebarriere zunehmend und verändert damit auch das Dispergierungsverhalten.

Ziele

Der Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie untersucht in Zusammenarbeit mit dem Lehr- und Forschungsgebiet Ton- und Grenzflächenmineralogie der RWTH Aachen im Labor Proben von geologischen Formartionen die in der Vergangenheit bereits Probleme beim Tunnelvortrieb verursacht haben.,. Dafür werden mineralogische Untersuchungen durchgeführt (XRD, KAK, ζ Potential), um herauszufinden, welche Mineralien oder Mineralkompositionen die Verklebungen begünstigen.
Im besonderen die Interaktion zwischen Werkzeugoberflächen und häufig pastenartigen Ausbruchsmaterial, sowie die Grenzflächenprozesse der Kolloide in der Emulsion müssen hierfür besser verstanden werden und sind der Schlüssel zur Lösung dieser Problematik. Ein Lösungsansatz bietet die zeitweilige oder dauerhafte Veränderung der Mineraloberflächen, da dieses auch einen Einfluß auf die mechanischen Eigenschaften des Materials hat. Dies kann durch gezielte Änderung der Oberflächenladungsverteilung der Tonplättchen erreicht werden. Die Modifizierung der Mineraloberflächen kann chemisch z.B. durch Einsatz von Additiven oder alternativ physikalisch z.B. durch Anlegen von elektrischen Spannungsfeldern (Elektrokinetik) erreicht werden. Schließlich sollen die Ergebnisse zu einer aktiven Einflussnahme auf die Materialeigenschaften unter den Bedingungen des maschienllen Tunnelvortriebs und den gegebenen industriellen Bedürfnissen führen.

Zusammen mit dem Lehrstuhl für Geotechnik im Bauwesen der RWTH Aachen wird ein standardisierter Adhäsionsversuch entwickelt, um die Adhäsionskräfte unter realistischen Bedingungen messen zu können. Dieser Test soll helfen, die Erfolgsaussichten und Anwendbarkeiten der chemischen oder elektrokinetischen Manipulationen einzuschätzen und zu überprüft ob die erwünschten Effekte erzielt werden konnten. Als Ergebnis der Untersuchungen ist die Entwicklung eines Klassifikationsschemas geplant, um die Adhäsionswahrscheinlichkeit und Verklebungseigenschaften des zu durchörtenden Materials im Vorlauf der Tunnelmaßnahme zu erkennen. Das Testverfahren soll dann mit den Industriepartnern im Technikumsmaßstab überprüft werden, um wirtschaftliche und ökologisch nachhaltige Manipulationsmethoden für den operativen Einsatz zu erhalten.

Das interdisziplinäre Gemeinschaftsprojekt „Grenzflächenprozesse zwischen Mineral- und Werkzeugoberflächen – Ursachen, Probleme und Lösungsansätze am Beispiel des maschinellen Tunnelbaus“ liefert einen wichtigen Beitrag um die Effizienz in Tunnelbauprojekten zu erhöhen. Der interdisziplinären Ansätze dieses Projekts reichen von mineralogischen, geowissenschaftlichen, geotechnischen und technischen Perspektiven von der atomaren Ebene bis hin zum industriellen Einsatz.